International Shugden Community (ISC) / Western Shugden Society (WSS)

Tenzin Peljor

+++ News März – Juli 2014 +++

Die Neue Kadampa Tradition gründete im Februar 2014 die mittlerweile dritte Unterorganisation, die International Shugden Community (ISC), um „leidenschaftliche Proteste gegen den Dalai Lama“ aufzuführen.

Die neueste Kampagne wurde gestartet, um den US-Besuch des Dalai Lama, Tenzin Gyatso, zu begleiten. Die ersten Proteste fanden am 22. Februar in San Francisco, am 23. Februar in Berkeley, am 24. Februar in Santa Clara und am 25. Februar in Los Angeles statt. Für Deutschland hat die International Shugden Community (ISC) Proteste in Frankfurt am Main zum Dalai Lama Besuch im Mai 2014 für 300 Menschen angemeldet.

Shugden Supporters Community (SSC), Western Shugden Society (WSS) und die International Shugden Community (ISC) sind alle drei Unterorganisationen der Neuen Kadampa Tradition (NKT).

Der Hintergrund der Behauptungen der Protestierenden als auch der Hintergrund der protestierenden Gruppe und des Shugden Konflikts sind sehr komplex und facettenreich. In einem Interview mit www.info-buddhismus.de erklärt der Tibetologe Thierry Dodin die Anschuldigungen und Hintergründe der Proteste gegen den Dalai Lama. (8. Mai 2014)

Die Deutsche Buddhistische Ordensgemeinschaft (DBO) gab am 01. Mai 2014 eine Stellungnahme und eine ergänzende Erklärung zu den Anti-Dalai Lama Protesten der Shugden-Gruppe ab.

Dalai Lama Proteste in Frankfurt 20144. Mai 2014: Die Neue Kadampa Tradition (NKT) demonstriert via International Shugden Community (ISC) gegen den Dalai Lama in Frankfurt.

Robert Thurman gab am 5. März 2014 eine kurze Erklärung zu den Anschuldigungen in der Huffington Post. (Deutsche Übersetzung »Der Dalai Lama und der Dolgyal Shugden Kult«.)

Tibet Experte Robert Barnett von der Columbia Universität sagte dem Time Magazin bereits 2008 in Bezug auf die Glaubwürdigkeit und Anschuldigungen der Protestierenden:

Ich habe auch deutlich gemacht, dass die Behauptungen der Western Shugden Group problematisch sind: es ist so wie den Papst anzugreifen, weil einige Laien-Katholiken irgendwo Ungläubige oder Abtrünnige misshandeln. Der Western Shugden Group fehlt es ernsthaft an Glaubwürdigkeit, [und] da ihre Form der Geisteranbetung heterodox, provokativ und sehr sektiererisch nach buddhistischen Maßstäben ist, ist es umso wahrscheinlicher, dass diese Praxis in Mainstream-Klöster verboten wird – ihre behauptete Besorgnis über Fälle von Diskriminierung in Indien sollte durch das Arbeiten innerhalb der tibetischen Gemeinschaft angesprochen werden, anstatt opportunistisch den Dalai Lama zu attackieren, um falsch unterrichtete Öffentlichkeitsarbeit für ihre Sekte zu verursachen.

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) gab im Juli 2014 eine Online-Information heraus (PDF), in der sie u.a. schreibt:

Von einem Verbot, das die Gegner anprangern, kann kaum die Rede sein, da der Dalai Lama dazu nicht befugt wäre. Er betonte zudem, jeder einzelne Tibeter sei frei zu verehren, wen er oder sie wolle, auch Shugden. Doch Klöster und vor allem die staatlichen Institutionen, die dem Dalai Lama nahe stünden, sollten sich von dem sektiererischen Geist fernhalten, der sich für die Sache Tibets als schädlich erwiesen habe. Ferner schloss er diejenigen, die den Kult weiterhin betreiben, von seinen Unterweisungen und Ermächtigungen aus. Der Druck auf Shugden-Anhänger stieg erheblich. 1996 bis 1998 eskalierte der Konflikt – 1997 wurden ein shugden-kritischer Mönch und zwei seiner Schüler ermordet –, seit 2008 kommt es verstärkt zu international organisierten Protesten gegen den Dalai Lama.

Über den Hintergrund der International Shugden Community (ISC) schreibt die EZW, dass die ISC „eine Tochterorganisation der Neuen Kadampa Tradition“ ist, die sich „mit missionarischem Eifer im Westen“ verbreitet und „sich im tibetischen Kontext mit dem Sektenvorwurf konfrontiert sieht.“

+++ News August – Oktober 2014 +++

Für den Dalai Lama Besuch in Hamburg vom 23.–26. September macht die ISC/NKT mit absurden Presseinformationen (“State Surveillance and Public Shaming of Tibetan Protesters”) auf sich aufmerksam, die ein angeblicher Journalist „IndyHack“ anonym an die deutsche Presse versendet und mit „Indy“ unterschreibt.

In einer Pressemitteilung der International Shugden Community behauptet der aktuelle Sprecher der ISC in Deutschland und nationale Leiter der Neuen Kadampa Tradition, Markus Rehnert (bzw. Gen Kelsang Ananda), dass „von offizieller Seite Hass gegen friedliche Buddhisten geschürt“ würde, ohne zu sehen, dass seine Organisation selbst massiv aggressiv und denunziatorisch, ja demagogisch auftritt.

Jens-Uwe Hartmann (Professor für Indologie und Iranistik an der LMU) untersucht in dem folgenden, neu erschienenen Beitrag den Shugden Konflikt und die Proteste: „Der Dalai Lama und der Shugden-Kult – Worum geht es in diesem Konflikt?

Am 19. August gaben ehemalige Mitglieder der Neuen Kadampa Tradition („NKT Survivors“) eine „Erklärung zu den Demonstrationen gegen Seine Heiligkeit den Dalai“ (PDF) heraus, in der sie in zehn Punkten „Ungenauigkeiten, Desinformationen und die glatten Lügen“ der ISC/NKT korrigieren und ihre Erschütterung und Traurigkeit ausdrücken, „dass diejenigen, die einmal unser ehemaliger NKT-Sangha waren, gegen Seine Heiligkeit den Dalai Lama demonstrieren und ihn diffamieren.“

Ingrid Norbu beschreibt auf leicht verständliche Weise den Shugden Konflikt und interviewt Prof. Jens-Uwe Hartmann für den Deutschlandfunk (02.10.2014) in „Tibetischer Buddhismus: Konflikt um Shugden-Kult“. Prof. Hartmann beantwortet dort die Frage, warum so viele westliche Anhänger der Praxis demonstrieren:

Das ist nicht leicht zu erklären. Meiner Beobachtung nach versuchen aber westliche Anhänger 150 Prozent Anhänger zu sein, oft noch tibetischer zu sein als die Tibeter selbst, und dann kopieren sie ihre Meister, ihre Lamas so gut sie es vermögen. Und sie sehen, dass die Lamas bestimmte Schutzgottheiten praktizieren, und dann beginnen sie dieselben Schutzgottheiten zu praktizieren und sie übernehmen damit die Konflikte, in denen sich die Lamas befinden, auch in ihre eigene Praxis, in ihre eigene Situation.

+++ News Dezember 2014 +++

In einem ausführlichen Interview gibt der häufig zitierte Tibet-Experte und Direktor des Programms für Zeitgenössische tibetische Studien an der Columbia Universität in New York, Robert Barnett, Auskunft über die wichtigsten Aspekte der Shugden Proteste: „Anti-Dalai Lama-Proteste von Pro-Shugden-Gruppen“.

+++ News Februar – April 2015 +++

Anlässlich der angekündigten Demonstrationen der International Shugden Community (ISC) / Neue Kadampa Tradition (NKT) in der Schweiz, die der Dalai Lama im Februar auf Einladung der dort lebenden Tibeter besuchen wird, interviewte die Neue Züricher Zeitung (NZZ) Prof. Jens Schlieter (Uni Bern) zum Shugden Konflikt: „Dalai Lama, hör auf zu lügen“. Am 8.2.15 veröffentlichte die NZZ einen weiteren Artikel unter dem Titel: „Angriff auf den Dalai Lama auf einem Nebengeleise“.

In beiden Artikeln schreiben die Journalisten der NZZ gut informiert und wenden den gesunden Menschenverstand an, z.B. wenn indem sie den Widerspruch zwischen den aggressiven Tönen und einem angeblichen Wunsch nach Dialog andeuten oder den Widerspruch, dass Tibeter freiwillig und in Massen zu einem „Diktator“ strömen:

Die geschliffene Rhetorik der die Demonstranten begleitenden Mediensprecher vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich hier eine Randgruppe medienwirksam, aber unverhältnismässig aufbläht. Dass auf der anderen Strassenseite unterdrückte Menschen zu Tausenden zu ihrem Diktator strömen sollen oder dass sie selbst Unterdrücker sind, wirkt nicht glaubhaft.

Tibethaus Frankfurt, ein tibetisches Kulturinstitut unter der Schirmherrschaft des 14. Dalai Lama und unter der spirituellen Leitung von S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche, stellt seit Februar 2015 Informationen zu Shugden zur Verfügung: „Infos zum Shugden-Konflikt

Vice hat einen sehr gut recherchierten Artikel zu Shugden im Februar 2015 veröffentlicht: The Followers of a Wrathful Buddhist Spirit Take on the Dalai Lama. Die deutsche Übersetzung von Vice ist seit 6. April hier zu finden: Terror, Mord und Mystik: Die buddhistischen Taliban vs. den Dalai Lama.

+++ News Juni/Juli 2015 +++

Nachdem der Observer im Juni 2015 die Hintergründe der Proteste gegen den Dalai Lama recherchierte und einen kritischen Artikel verfasste, schrieben ISC/NKT Anhänger über mehrere hundert Protest-Emails an die Guardian Chefredaktion und protestierten am 27. Juni 2015 gegen The Guardian in der Nähe ihres Pressegebäudes in London.

Dalai Lama Proteste, The GuardianAm 27. Juni 2015 protestierte die International Shugden Community (ISC) in der Nähe des Guardian Gebäudes in London: „Vergifteter Guardian. Höre auf Menschen zu schaden!“ steht auf einem ihrer Banner.

Guardian-Leseranwalt Stephen Pritchard untersuchte ein weiteres Mal den Hintergrund der Proteste und befragte den US Experten Robert Barnett, Direktor des Programms Zeitgenössische Tibet-Studien an der Columbia University in New York: Der Leseranwalt… zum Thema Buddhismus und organisierte Lobbyarbeit.

Am 7. Juli 2015, dem letzten Tag der offiziellen Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag Seiner Heiligkeit des Dalai Lama im kalifornischen Orange County, wurden von den Vertretern seines Büros („Office of His Holiness the Dalai Lama“, OHHDL) die Mitglieder der Internationalen Shugden-Gemeinschaft („International Shugden Community“, ISC) zu einem Treffen eingeladen, um zu erklären, welche Lügen sie Seiner Heiligkeit vorwerfen. Näheres dazu hier…

+++ News Februar – April 2016 +++

Am 26. Februar 2016 kündigte die ISC/WSS ihre „Auflösung“ – inklusive die Auflösung ihrer Webseiten – an. Das Datum des Beschlusses der Auflösung wurde mit 01.12.2015 angegeben. Für die Auflösung und die späte Ankündigung (oder Zurückdatierung) derselben gab die ISC bzw. NKT keine Begründung. Reuters und The Guardian berichteten darüber:

Zwei Hintergrund-Analysen in Englisch sind hier zu finden:

Buddhismus aktuell, die Zeitschrift der Deutschen Buddhistischen Union (DBU), äußert sich in dieser Meldung zur Auflösung der ISC:

Ornament

Western Shugden Society (WSS)

Die Western Shugden Society (WSS) wurde im Jahre 2008 gegründet – wahrscheinlich im April des selben Jahres – und formiert sich in der weiten Mehrzahl (zu mind. 95%) aus Mitgliedern der Neuen Kadampa Tradition (NKT). Es gibt einige wenige Tibeter, die die Aktivitäten der Western Shugden Society unterstützen.

Kelsang Khyenrab Colgate University Proteste

Geshe Kelsang Gyatso, Gründer der Neuen Kadampa Tradition, hat seine Schüler aufgefordert an diesen von ihm initiierten Demonstrationen gegen „religiöse Verfolgung“ teilzunehmen und sich Flugtickets zu kaufen, um dem Dalai Lama in alle Welt nachreisen zu können. Die ersten Demonstrationen fanden am 22. April 2008 in den USA statt. Das diffamierende Schreiben Ein buddhistischer Diktator des 21. Jahrhunderts: Der Dalai Lama stammt vermutlich von Geshe Kelsang Gyatso persönlich. In den USA wurden die Proteste von Kelsang Khyenrab – derzeitiger designierter Nachfolger Geshe Kelsangs – und Kelsang Dekyong (USA-Repräsentant der NKT) angeführt und organisiert; in Deutschland von Kelsang Ananda (Deutschland-Repräsentant der NKT). Pressesprecherin der Western Shugden Society ist Kelsang Pema, NKT.

Die Führung der Neue Kadampa Tradition (NKT-IKBU) tut alles ihr Mögliche, um den falschen Eindruck zu erwecken, nicht die NKT würde hinter den Protesten stehen sondern ein angeblich „internationaler Zusammenschluss von Dorje Shugden Praktizierenden“.

Tatsächlich wurden aber die Proteste 1996-98 und 2008-2010 von Geshe Kelsang Gyatso initiiert und von seiner Organisation geleitet und organisiert. Es waren stets nur ganz wenige Tibeter unter den Protestlern. Die Proteste werden weder von Shugden Praktizierenden unter Gonsar Rinpoche noch von Dagom Rinpoche oder von Lama Gangchen Rinpoche unterstützt. Letzterer zeigte sich „geschockt“, dass er als angeblicher Unterstützer der Proteste 1996-98 von der NKT angegeben wurde. Auch andere tibetische Lehrer und ihre Zentren, wie z.B. Dagyab Rinpoche, wurden von der NKT als angebliche Unterstützer der Proteste 1996-98 ohne ihre Zustimmung angegeben. Dagyab Rinpoche rief persönlich Kelsang Gyastso an und bat ihn, ihn als angeblichen Unterstützer aus den Presseinformationen herauszunehmen. Dieser Aufforderung kam Kelsang Gyatso nicht nach. Lediglich der umstrittene und offiziell nicht als Tulku des Kundeling anerkannte „Kundeling Rinpoche“ (Lobsang Yeshe), unterstützt die Proteste.

Für beide Protestwellen gründete die NKT Unterorganisationen. 1996-98 wurden die Proteste unter dem Namen Shugden Supporters Comminity durchgeführt und die Proteste 2008-10 wurden unter dem Namen Western Shugden Society durchgeführt. Alle modernen Kommunikationswege wurden für die Kampagne, die weltweit organisiert wurde, genutzt. Von Seiten des Dalai Lama oder der Tibetischen Exilregierung kam so gut wie keine Reaktion. Eine offizielle Stellungnahme gibt es nicht.

Geshe Kelsang Gyatso wurde 1996 von 15 Äbten und Lehrern aus seinem Kloster Sera Je Dratsang ausgeschlossen. Er beschuldige den Dalai Lama u.a., er habe „sein ganzes Leben damit verbracht“, den „Reichtum des einfachen tibetischen Volkes zu sammeln. Welche materielle Hilfe hat er dem tibetischen Volk zur Verfügung gestellt?“ Für Tibeter waren diese u.a. falschen Anschuldigungen ein Affront und nicht hinnehmbar.

Der Dachverband der Buddhisten in Deutschland, die Deutsche Buddhistische Union (DBU), hat eine Aufnahme der NKT in die DBU abgelehnt.

Alle von Geshe Kelsang ordinierten Nonnen und Mönche halten eine sogennante Rabjung Ordination, damit sind sie weder Novizen (tib. Getsul/Gestul ma, pali samanera/samenaeri, skt. shramanera/shramaneri) noch vollordinierte Mönche und Nonnen (tib. gelong/gelongma, pali bhikkhu/bhikkhuni, skt. bhikshu/bhikshuni). Somit sind sie auch keine Mitglieder des monastischen Ordens des Buddha und können ihn auch nicht vertreten oder repräsentieren.

Während für Anhänger die NKT den „reinen Buddhadharma“ repräsentiert und eine Fortsetzung der „altehrwürdigen Kadampa Tradition“ aus dem 11. Jahrhundert ist, beschreibt Peter Bernard Clarke, Professor für Theologie an der Oxford Universität, die NKT als eine „kontroverse tibetisch-buddhistische Neue Religiöse Bewegung (NRM)“. David Barett beschreibt sie als „vom Tibetischen Buddhismus abstammend“ und als „eine der neuesten und kontroversesten buddhistischen Bewegungen.“ Außen- und Selbstwahrnehmung der NKT gehen weit auseinander.

Inwieweit die vorgebrachten Vorwürfe zur „religiösen Verfolgung“ in Indien diesmal stimmen, wird sich sicher bald herausstellen. Obwohl der Hintergrund sehr komplex und für Außenstehende schwer verständlich ist, können unabhängige Wissenschaftler und Buddhismus-Experten sicher Auskunft geben oder die Vorwürfe gegebenenfalls überprüfen. Die Vorwürfe der letzten Demonstrationswelle (1996-1998), geführt unter dem Namen Shugden Supporters Community, fasste The Independent so zusammen: „Die Sicht der Shugden Unterstützer Gemeinschaft war nahezu ein Negativ von allem, was die Welt außerhalb über Tibet und den Dalai Lama denkt.“ Bezüglich der Fakten, die von Anhängern der NKT (die sich gegenüber dem Independent als Nicht-NKT-Anhänger bzw. „besorgte Buddhisten“ ausgaben) verbreiteten, schrieb Andrew Brown im The Independent: „Es war eine gewaltige Anklage, die nur einen einzigen Fehler aufwies, dass nahezu alles was mir in Lister's Haus erzählt wurde nicht wahr war.“ Derzeit berichtet als einziger TibetInfoNet (PDF) ausführlich und gut informiert über die Ereignisse 2008 in Indien, die der NKT Anlass zu den gegenwärtigen Protesten gaben.

Einige ehemalige Mitglieder der NKT vermuten hinter den Demonstrationen ein Ablenkungsmanöver für gegenwärtige NKT-Mitglieder. Gemäß dieser Interpretation soll von internen Problemen (u.a. sexueller Missbrauch), die zu einer Krise und Mitgliederschwund geführt haben sollen, abgelenkt und die Mitglieder in einer gemeinsamen Aktion gegen den Dalai Lama wieder zusammengeschweißt werden. Sie argumentieren weiter, eine ähnliche interne Krise sei auch den Demonstrationen 1996-1998 vorausgegangen.

Die in Delhi ansässige Dorjee Shugden Devotee’s Charitable and Religious Society unterstützt die Demonstrationen der Western Shugden Society gegen die behauptete „religiöse Verfolgung“. Bei allen Schwierigkeiten und Problemen denen ihre Unterstützer in Indien möglicher Weise ausgesetzt sind, was sie bei der komplexen Hintergrund-Problematik aber unberücksichtigt lassen, ist folgender Fakt:

Wenn monastische Gemeinschaften sich in der sehr großen Mehrheit gegen diese als schädigend empfundene Shugden-Verehrung aussprechen und deren Ausführung in den Klöstern untersagen, dann ist das ein demokratisches und korrektes Vorgehen, das auch im Einklang mit der Ordensdisziplin (Vinaya) ist. Die Praxis wird und kann immer noch privat ausgeübt werden. Wenn Mönche wiederholt gegen Mehrheitsentscheidungen der monastischen Gemeinschaft – trotz Ermahnungen – rebellieren, sieht die Ordensdisziplin vor, diese auszuschließen. Das ist normal und wurde dann auch getan.

Wenn Anhänger der Shugden-Verehrung nun den komplexen Hintergrund, die kontroversen Aspekte der umstrittenen Praxis und die Regeln der Ordensdisziplin ausblenden, und den Dalai Lama als Übeltäter oder „Diktator des 21. Jahrunderts“ anklagen, machen sie es sich meines Erachtens zu einfach. Damit schaden sie sich, dem Orden, dem Frieden in der tibetischen Exil-Gemeinschaft und spielen der chinesischen Staatspropaganda in die Hände. Mindestens 10 Organisationen der tibetischen Exil-Gemeinschaft in Indien haben sich bereits offen gegen die Dorjee Shugden Devotee’s Charitable and Religious Society gestellt. Nach ihrer Ansicht werden die Aktivitäten der Dorjee Shugden Devotee’s Charitable and Religious Society in Delhi vom „selbst-proklamierten Kundeling Rinpoche, auch bekannt als Ich-Lama oder Lobsang Yeshe Rinpoche und einigen seiner westlichen Unterstützer angeführt.“ Kundeling Rinpoche (Lobsang Yeshe), der u.a. auch die Klosterschule Ganden Tashi Choeling und Lama Dechen Losang Chöma in Päwesin (Brandenburg) unterstützt, wurde nie offiziell vom Dalai Lama, der für die Erkennung des Kundeling Tulkus verantwortlich ist, als Tulku des verstorbenen Kundeling Rinpoche anerkannt. Von der tibetischen Exil-Regierung wird er deshalb als „Ich-Lama“ bezeichnet.

Amhänger er Neuen Kadampa Tradition protestieren gegen den Dalai Lama

Was nun die Mehrheit der Mitglieder der Western Shugden Society – Neue Kadampa Tradition (NKT) – angeht, sie leiden in keiner Weise an „religiöser Verfolgung“ durch den Dalai Lama. Der Dalai Lama hat in der NKT nichts zu sagen und wird von ihr auch nicht akzeptiert. Niemand wird in der NKT vom Dalai Lama oder einer anderen äußeren Person verfolgt oder unterdrückt. Die Ironie dieser bizarren Posse ist, dass die Vorwürfe von „Diktatur“ oder „Diktator“, „religöser Unterdrückung“, „Verfolgung“ oder „Heuchelei“ viel eher eine nach außen projizierte Reflexion der eigentlichen Situation in der NKT selbst darstellen.

In der NKT gibt es nur eine einzige spirituelle Autorität: Geshe Kelsang Gyatso, ihr Gründer. Dieser lebt seit mehr als 20 Jahren isoliert und abgespalten von der buddhistischen Gemeinschaft, ohne Anleitung eines Lehrers, in England. Seinen eigenen Lehrer, Geshe Lhundup Sopa, verschweigt er. Dass auch der Dalai Lama sein Lehrer ist, leugnet er – trotz gegenteiliger Aussagen von Zeugen. Ein Korrektiv ihm gleichgestellter oder übergeordneter Mönche oder Lehrer hat er nicht. Seine Schüler praktizieren eine kritiklose und naive Hingabe ihm gegenüber, die er mit unüblichen und manipulativen Erklärungen zur Lehrer-Schüler-Beziehung zusätzlich beflügelt. In seinen Zentren unterbindet Geshe Kelsang die Verehrung des Dalai Lama und die Anbringung seiner Bilder. Zudem ent-mutigt er seine Schüler andere buddhistische Schriften – als die von ihm selbst verfassen Bücher – zu lesen, in andere buddhistische Zentren oder gar Klöster zu gehen, buddhistische Lehren von anderen Lehrern zu empfangen. Er tut dies, indem er eine besondere „Reinheit“ und Vollständigkeit seiner eigenen Überlieferungslinie und Lehren postuliert (während er gleichzeitig den tibetischen Buddhismus als „sehr degeneriert“ brandmarkt), eine „Gefahr des Vermischens“ mit Nicht-NKT Lehren – die die „Reinheit der Überlieferung-Linie“ zerstören und „Millionen von Lebewesen“ schaden würden – herauf beschwört und der Behauptung, dass das Studium anderer buddhistischer Texte als seine eigenen, seine Schüler verwirren würde. NKT-Lehrer oder enge Schüler, die nicht 100%ig hinter ihm und seinen Ansichten stehen oder ihn auf Fehlentwicklungen und Missbrauch in seiner Organisation aufmerksam machen, weist er meist harsch zurecht, entbindet sie ihrer Funktion als Lehrer, bittet sie zu gehen oder entfernt sie aus der Organisation. Gegenüber Neu-Mitgliedern und Rand-Mitgliedern gibt es eine größere Toleranz. Letztlich ist in der NKT die spirituelle Autorität und Entscheidungsgewalt einzig auf seine Person zugeschnitten. Im The Guardian schreibt Bunting: „Die NKT ist ein vollständig selbstreferenzierendes System. Die totale Abhängigkeit von einer einzigen charismatischen Figur ist unüblich im Tibetischen Buddhismus.“ Als alleinige spirituelle Autorität muss Geshe Kelsang seine Handlungen nicht auf demokratische Prozesse oder die Ordensregeln für monastische Gemeinschaften gemäß der Vinaya stützen und er tut das auch nicht. Sein Verständnis von Demokratie in seiner Organsiation hat er selbst anschaulich im Jahre 2000 so beschrieben: „Ich. Ich bin die NKT!“.

Damit stellen sich ein paar Fragen:

Wer unterdrückt wessen religiöse Freiheit? Woher kommt die Idee, der Dalai Lama sei ein Diktator? Wer spannt wen und was für wessen Interessen ein? Wessen Wahrnehmungen sind eher in Einklang mit der Wirklichkeit oder tendieren in Richtung Projektion? Woher kommt dieses „lustigste Beispiel interkultureller Verwirrung“ zur Shugden-Kontroverse? John J. Makransky:

A stunning recent example of this: some Tibetan monks who now introduce Westerners to practices centered on a native Tibetan deity, without informing them that one of its primary functions has been to assert hegemony over rival sects! The current Dalai Lama, seeking to combat the ancient, virulent sectarianisms operative in such quarters, has strongly discouraged the worship of the “protector” deity known as Dorje Shugden, because one of its functions has been to force conformity to the dGe lugs pa sect (with which the Dalai Lama himself is most closely associated) and to assert power over competing sects. Western followers of a few dGe lugs pa monks who worship that deity, lacking any critical awareness of its sectarian functions in Tibet, have recently followed the Dalai Lama to his speaking engagements to protest his strong stance (for non-sectarianism) in the name of their “religious freedom” to promulgate, now in the West, an embodiment of Tibetan sectarianism. If it were not so harmful to persons and traditions, this would surely be one of the funniest examples of the cross-cultural confusion that lack of critical reflection continues to create.


Quellen:

Phurbu Thinley, Phayul, May 10, 2008: Organisations accuse Dhoegyal Society of undermining Tibetan Freedom struggle

Clarke, Peter Bernard. New Religions in Global Perspective, S. 92, 2006

Barett, David. The New Believers: A Survey of Sects, Cults and Alternative Religions, S. 310

von Brück. M. (1999). Religion und Politik im Tibetischen Buddhismus, Kösel Verlag, Seite 159

Riedl, Peter (2006). Ein Geist geht um…, in Ursache und Wirkung, No. 56, Seite 73

Western Shugden Society: http://www.westernshugdensociety.org/

Brown, Andrew (1996). Battle of the Buddhists. The Independent, London, 15 July 1996. (PDF)

Bunting, Madeleine (1996). Special Report: Shadow Boxing on the Path to Nirvana. The Guardian, London, 6 July 1996. (PDF)

Kay, David N. (2004). Tibetan and Zen Buddhism in Britain: Transplantation, Development and Adaptation. London and New York: Curzon Press. (PDF)

Bluck Robert, British Buddhism - Teachings, Practice and Development, S. 144, RoutledgeCurzon Press

Makransky, John J. (2000). Buddhist Theology: Critical Reflections by Contemporary Buddhist Scholars, John J. Makransky, Roger Reid Jackson, p. 20, in “Introduction to Contemporary Academic Buddhist Theology; Its emergence and rationale”

Press Release by Assembly of Tibetan People's Deputies, 8 August, 2002 Lies, Rumour-mongering and Intimidation, http://www.tibet.net/en/prelease/2002/190702.html

TIN: Sowing dissent and undermining the Dalai Lama (PDF) http://www.tibetinfonet.net/content/update/116

Presseprotal.ch, http://www.presseportal.ch/de/pm/100015052/100560639
/western_shugden_society

The New Kadampa Survivors

Frontline, Jan 05., 2001, Interview with Lobsang Yeshe (Kundeling Rinpoche)

Declaration of Expulsion of Kelsang Gyatso from Sera Je Monastery by the General Assembly of Sera Je Monastery, 22.08.1996

To the Tibetan Buddhists around the World … by Sera Je Dratsang

Tenzin Peljor
17.05.2008

Ornament

Related Links (chronological order)